Den letzten Weg gut gestalten

Katharina Bonin ist ehrenamtliche Mitarbeiterin im Beerdigungsdienst

Warum machst Du das? Katharina Bonin hört diese Frage oft, wenn sie von ihrer neuen ehrenamtlichen Tätigkeit erzählt. „Das Umfeld ist irritiert“, sagt die Programmiererin mit einem Lächeln, „viele finden das befremdlich.“ Auf der ersten Blick ist das durchaus verständlich: Schließlich leitet die Frau mit den dunklen Locken und der freundlichen Ausstrahlung künftig katholische Beerdigungen in der Pfarrei St. Birgid. Zur Qualifizierung hat sie gemeinsam mit sieben weiteren Frauen an einem einjährigen Kurs teilgenommen. Offiziell von Dr. Christoph May, Bischofsvikar für die Kirchenentwicklung, beauftragt und feierlich ausgesendet, sind sie und die Mitstreiterinnen seit Februar. Alle acht nehmen damit in der Wiesbadener Pfarrei an einem sogenannten Erkundungsprojekt teil, mit dem das Bistum Limburg neue Wege in der Trauerpastoral gehen will.

Dass Laien im Beerdigungsdienst eingesetzt werden, mag manch einen überraschen, „aber der Beerdigungsdienst ist nicht an ein Weiheamt gebunden, sondern steht als Werk der Barmherzigkeit auch anderen Getauften offen“, sagt die Theologin Susanne Gorges-Braunwarth. Bei der Abteilungsleiterin Pastoral in Netzwerken laufen die Fäden für das Projekt zusammen, das als Pilot-Thema innerhalb der Kirchenentwicklung gesetzt worden ist. Tote bestatten und Trauernde trösten, das sei in den frühchristlichen Kirchen ein selbstverständlicher gemeinsamer Dienst gewesen. Um die Akzeptanz seitens der Gemeindemitglieder und Angehörigen mache sie sich keine Sorgen: „Bei der Aussendungsfeier war ganz viel Wertschätzung und Unterstützung zu spüren, die acht Frauen sind da quasi von allen autorisiert worden.“ Sie seien gut bekannt, bestens qualifiziert und man traue ihnen etwas zu.

Mit Tod und Trauer vertraut

Auf Katharina Bonin trifft das sicherlich zu. Die gebürtige Mainzerin ist seit langer Zeit in der Kirche engagiert. Dabei war sie nach ihren eigenen Worten eher kirchenfern, als sie vor 20 Jahren mit ihrem Mann nach Erbenheim gezogen war. „Das Leben in der damaligen Gemeinde Maria Aufnahme unter Pfarrer Erhard Heimburger hat mich zurückgeholt“, erinnert sie sich: „In kürzester Zeit war ich integriert.“ 15 Jahre lang wirkte sie unter anderem im Verwaltungsrat, war auch bei der Pfarreiwerdung aktiv und blieb selbst nach dem Umzug nach Dotzheim St. Birgid treu: „Ich fühle mich der Pfarrei einfach sehr verbunden.“ Als hier mit der Trauerpastoral ein besonderer Schwerpunkt gesetzt werden sollte, „habe ich gleich angedockt.“

Tod und Trauer sind ihr schon sehr lange vertraut, die Auseinandersetzung damit zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Sie war gerade erst volljährig geworden, als ihr Vater plötzlich und vollkommen unerwartet über Nacht starb. Für die damals 19-Jährige „war es unerträglich, dass sein Leichnam noch einige Zeit in der Wohnung war.“ Sie fand es geradezu „bizarr“, dass die Schwestern ihrer Mutter noch Abschied nehmen wollten von ihm. Erst viel später sei ihr klar geworden, „wie gut es der Seele tut, wenn man sich verabschieden kann.“ Was ihr aber dennoch all die Jahre auch in Erinnerung geblieben ist, ist der Beistand durch Schulkameradinnen, „die einfach gekommen sind und da waren.“ Letztlich sei sie aus dem Erlebten gestärkt hervorgegangen, weiß sie heute. Am Ende werde es gut, sei ihre feste innere Überzeugung. Schließlich wisse sie aus dem Glauben heraus ihre verstorbenen Angehörigen gut aufgehoben. „Da hat man es als Christ ja eigentlich leicht“, meint sie.

„Hauptsache, die Qualität stimmt“

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Trauererfahrungen war ein wichtiger Teil des Qualifizierungskurses, berichtet Stephan Lechtenböhmer. Der Pastoralreferent, der derzeit noch als Mentor Katharina Bonin begleitet, ist von dem Projekt seinerseits sehr überzeugt. Im Bistum Limburg betrete man damit zwar Neuland, in anderen Bistümern wie Hildesheim, Aachen oder Köln sei der Einsatz von Laien bereits üblich „Wir machen das nicht aus der Not heraus“, sagt er, das ist ihm wichtig: „Beerdigungsdienst ist eigentlich Aufgabe der Gemeinde.“ Auch für die Angehörigen sei es nicht wesentlich, wer genau das Trauergespräch führe und beerdige. „Hauptsache die Qualität stimmt“, meint er: „Geht mein Ansprechpartner auf mich ein, hört er mir zu, ist die Gestaltung persönlich oder wird da etwas nach Anleitung heruntergeschnurrt?“ Darauf komme es an.

„Der letzte Weg muss menschlich gut gestaltet sein“: Das ist auch für Katharina Bonin ausschlaggebend. Für die Angehörigen sei dabei vor allem entscheidend, dass man authentisch rüberkomme, hat sie in der Hospitationsphase erfahren, in der sie an Beerdigungen mit Pfarrer Frank Schindling oder Stephan Lechtenböhmer teilgenommen hat. Überwältigt haben sie dabei nach ihren eigenen Worten vor allem die Trauergespräche. Die Hinterbliebenen seien in diesen Gesprächen unglaublich offen, es sei erstaunlich und berührend, was man in der kurzen Zeit über den Verstorbenen und seine Angehörigen erfahre. „Eigentlich ist das schon Teil der Trauerverarbeitung“, meint sie. Durch Kurseinheiten zu Aktivem Zuhören und Gesprächsführung fühle sie sich gut gerüstet für solche Situationen. Sie könne sich auch gut vorstellen, ein paar Wochen nach einer Beerdigung bei den Angehörigen nachzufragen, ob Gesprächsbedarf ist. Sehr gefreut hat sie sich, über die Gesprächsbitte einer älteren Frau aus der Gemeinde, die schon lange um einen Menschen trauere. Sie habe ihr einfach durch Zuhören helfen können, sagt Bonin: „Schon dafür hat sich der ganze Aufwand gelohnt.“

Dass niemand herzlos beerdigt wird

Wenn Ehrenamtliche intensiv und über einen längeren Zeitraum eine Beerdigung vorbereiteten, sich auch danach bei den Familien melden könnten, „dann ist das nicht nur ein Gewinn an Vielfalt, sondern auch an Qualität“, ist Susanne Gorges-Braunwarth überzeugt. Das zeigten auch die Erfahrungen aus anderen Bistümern. Zugleich ändere sich die Rolle der Hauptamtlichen, die zwar weniger operativ tätig seien, aber die Verlässlichkeit und die Begleitung der Ehrenamtlichen garantierten. Pastoralreferent Lechtenböhmer bestätigt beide Aspekte: Er gebe etwas ab, was er gern mache, aber sein Job sei es auch, Ehrenamtliche gut zu begleiten. Im gegenseitigen Feedback und dem Miteinander auf dem Friedhof sieht er eine echte Chance für das hauptamtliche Team, sich die eine oder andere Formulierung abzuschauen und was Neues auszuprobieren.

Wie es mit der Trauerpastoral in St. Birgid und im Bistum Limburg weitergeht, ist noch nicht entschieden. Das Projekt ist befristet bis Ende 2020 und muss dann erst ausgewertet werden. Stephan Lechtenböhmer glaubt und hofft, „dass das Ganze Schule macht.“ Derweil hat Katharina Bonin ihren ersten selbständigen Einsatz erlebt und eine ältere, offenbar völlig vereinsamt lebende Frau beerdigt. Die Trauergemeinde bestand – vor Corona-Zeiten – aus genau vier Menschen, Stephan Lechtenböhmer, einem Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung, dem Bestatter. Und Katharina Bonin. „Dass vor allem Menschen ohne Angehörige nicht herzlos und ohne religiösen Beistand beerdigt werden“: So hatte sie weit im Vorhinein begründet, warum sie sich genau für diesen Dienst entschieden hat.

Text: Barbara Reichwein/Foto: Bistum Limburg