St. Johannes Rambach 1962 – 2020

Das Kirchlein St. Johannes, das in den 60er-Jahren erbaut und im Dezember 2020 profaniert wurde, schmiegt sich in Rambach an den Hang und machte mit seinem 18 Meter hohen Glockenturm schon von weitem auf sich aufmerksam. Ein Blickfang waren die rautenförmigen Chorfenster, die aus Betonbausteinen gestaltet wurden. Innen fielen in der lichtdurchfluteten Kirche die drei Kreuzweg-Platten aus dem Atelier Ludwig Becker, Frankfurt, ins Auge. Das blau-weiße Altarkreuz und der quadratische Tabernakel aus der Goldschmiedewerkstatt der Rüdesheimer St. Hildegard-Abtei unterstrichen die moderne Gestaltung des Innenraums.

Der Alpenverein, Sektion Wiesbaden, kaufte 2020 das Gebäude und richtete dort nach der Profanierung seine Geschäftsstelle ein. Ein Gedenkort auf dem Gelände erinnert an die frühere Nutzung des Gebäudes als Kirche.

Geschichtliches

1540 – 1545: Rambach wurde rein evangelisch. Das hing mit der Konfession des Landesherrn, Graf Philipp von Nassau, zusammen. Vor der Reformation konnten die Gläubigen in Rambach zur Andacht in die Kapelle auf dem Kirchhügel gehen. Diese brannte 1546 ab.

1872: bekam Sonnenberg eine Vikariatsstelle. Die Ernennung des ersten katholischen Seelsorgers, Pfarrer Schnelting, am 15.Mai 1873 bedeutete dann den Beginn der Eigenständigkeit der katholischen Kirchengemeinde Sonnenberg mit Rambach.

25. Februar 1892: Die kanonische Errichtung der bisherigen Seelsorgestelle zur Pfarrei Herz Jesu mit den Filialen (Tochtergemeinden) Rambach und Hessloch. Die katholischen Christen aus Rambach mussten die heiligen Messen von da an in Sonnenberg besuchen.

12. März 1954: Etwa 20 Katholiken trafen sich in der Volksschule in Rambach mit dem Gedanken, eine katholische Kirche vor Ort zu errichten. Es wurde deshalb beschlossen, einen Kapellenbauverein zu gründen, Mitglieder zu werben und Beiträge ab dem 1. April 1954 zu erheben. 50 Pfennig bis zu 5 DM pro Monat sollten geleistet werden.

12. April 1956: Gründung des Kapellenbauvereins. Der provisorische Vorstand wurde bestätigt. Die Eintragung des Kapellenbauvereins e.V. Wiesbaden Rambach erfolgte am 16. Juli 1956 in das Vereinsregister Nr.805 beim Amtsgericht Abt.21. Nun konnte der Vorstand an die Arbeit gehen und Beschlüsse zur Planung einer Kirche fassen. Zuerst musste ein passender Bauplatz gefunden werden.
Herr Will aus der Schäfergasse in Rambach erwarb für den Kapellenbauverein das Grundstück „In der Laach“ 2672 und Adolf Frey aus Sonnenberg für die katholische Kirchengemeinde  Wiesbaden Sonnenberg das Grundstück 2673.

Am 14. Oktober 1958 wurde der Kauf laut Urkunde des Notars Dr. Rudolf Kupfer beurkundet.

Am 15. Februar 1959 begann Pfarrer Heinrich Vad seinen Dienst in der Pfarrei Herz Jesu  – mitten in die weiteren Planungen. Da durch den Tod von Wilhelm Usinger ein neuer Vorstand des Vereins gewählt werden musste, trat die Mitgliederversammlung am 27. Juli 1959 um 21 Uhr im Gasthaus „Zur Römerburg“ zusammen. Der neue Pfarrer erklärte, dass das Bistum Limburg nur dann eine finanzielle Hilfe zum Bau  gewähren würde, wenn der Kapellenbau durch die Muttergemeinde in Sonnenberg durchgeführt werde und dieselbe  als Bauherrin auftrete. Somit müsss das Grundstück 2672 im Besitz beziehungsweise Eigentum der katholischen Kirchengemeinde Sonnenberg sein.
Der geplante Neubau fand im Bistum Limburg zunächst wenig Begeisterung. Für Planung und Durchführung war die  Architektengemeinschaft Ludwig Ey, Edmund Häußer und Erich Husar verantwortlich. Die Lage des Baugrundstückes ermöglichte es, die Filialkirche mit Platz für 130 Besucher in der Achse der Ortsdurchgangsstraße und somit in der Blickrichtung der Hauptverkehrsstraße zu errichten.
Die Baugrundverhältnisse waren äußerst schwierig. Der an der Oberfläche vorhandene steinige Verwitterungslehm musste bis zu vier Metern abgetragen werden, ehe man auf tragfähigen Zeresitgneis stieß. Durch die steile Hanglage wurde die Stellung des Baukörpers wesentlich beeinflusst. So ergab sich eine Orientierung des Altarraumes nach Westen. Es entstand ein ungeteilter Einraum als Hallenkirche. Der Eingang im Süden und die Sakristei im Norden sind jeweils seitlich angefügt. Durch die Kommunionbank erfuhr der Kirchenraum zwischen Altar- und Gemeinderaum eine Zäsur. Das Tageslicht fiel in den Altarraum durch ein großflächiges Betonmaßwerkfenster, während die rückwärtige Belichtung durch hochliegende Fenster erreicht wurde. Der Baukörper selbst war ein abgeschrägter Kasten in Stahlbeton.Wegen der tiefen Gründung entstanden im Untergeschoss des Hauptgebäudes ein Gruppenraum mit Nebenräumen.

Im ersten Halbjahr des Jahres 1962 wurden die Mauern durch die ausführende Baufirma Terra-Bau-Betriebe, Niederlassung Wiesbaden, hochgezogen.

Am 23. September 1962 erfolgte die Grundsteinlegung – der Baukörper stand schon –  in Anwesenheit von Stadtpfarrer und Dekan Georg Rompel, Wiesbaden, und Pfarrer Heinrich Vad. Sehr viele Menschen nahmen daran teil, um damit ihre Verbundenheit mit dem neuen Gotteshaus zu bekunden.

Am 9. Juni 1963, dem Fest der Heiligen Dreifaltigkeit, erfolgte die feierliche Konsegration. Prälat G. Rompel, Wiesbadener Dekan und Stadtpfarrer, benedizierte gemeinsam mit Pfarrer Heinrich Vad die neue Filialkirche von Herz Jesu Sonnenberg im Gedenken an den Evangelisten Johannes zur St. Johannes Kapelle Rambach. Der evangelische Pfarrer Paul Conradi sprach ein Grußwort.
Die Kirchenbänke – 130 Sitzplätze – bezahlte die Rambacher Gemeinde nach einem Beschluss des Kapellenvereins vom 2. August 1962 selbst. Das große Kreuz über dem Altar, der Tabernakel, die Monstranz und der Kelch stammen aus der Klosterwerkstatt der Benediktinerinnen der St. Hildegardis Abtei in Rüdesheim-Eibingen. Gefertigt hat sie die Goldschmiedin Schwester Lucia König.

1963/64 schuf ein Studienfreund von Pfarrer Vad aus dem Atelier Ludwig Becker in Frankfurt einen Metallplatten-Kreuzweg mit drei eindrucksvollen Bildern. Die Weihe erfolgte am 15. März 1964 nach Erlaubnis des Limburger Bischöflichen Ordinariats.

1965 wurde der freistehende, schlanke Glockenturm (Campanile) erstellt. Er ist 18 Meter hoch . Die drei Glocken wurden von der Firma Schilling aus Heidelberg gegossen und sind in der Stimmung dis, fis und gis auf die vier Glocken der Evangelischen Kirche in Rambach im Klang abgestimmt, damit sie auch gemeinsam geläutet werden können. Am 10.Oktober 1965 wurden sie geweiht.

1966 spendete eine anonyme Bürgerin Rambachs die 1,10 m große Madonna.

1974: Die Orgel hat 6 Register mit 25 Pfeifen. Sie stammt aus der Werkstatt Hillebrand in Hannover. Nach ihrer Aufstellung konnte sie am 25. August 1974 geweiht werden.

Die Räume unter dem Kirchenschiff wurden den Erfordernissen entsprechend ausgebaut, damit die Gemeindegruppen, besonders die Jugendlichen zusammenkommen konnten – so entstanden ein viel genutzter Kino- sowie ein Partyraum.

2007: Da es dem Bistum Limburg nicht mehr möglich war, die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Kapelle finanziell zu unterhalten, gründete sich im Juli 2007 der Förderverein St. Johannes Rambach. Mit dem jährlichen Frühlingsfest und des Mitausrichtung der St. Martinsfeier trug der Förderverein zur Lebendigkeit der Gemeinde bei.

25. August 2013 In einem festlichen Gottesdienst weihte Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst den neuen Altar. Das Gotteshaus in Wiesbaden-Rambach wurde  vor den Beschlüssen der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils erbaut. Der neue Altartisch aus rotem Sandstein rückte nun in die Mitte des Altarraumes.

8. März 2020: Es gehe darum, wieder eine Perspektive für St. Johannes zu schaffen, das pastoral kaum noch genutzt werde. Mit dem Deutschen Alpenverein (DAV) habe man für den Bau einen Interessenten mit guten Werten gefunden, „der hier Leben rein bringt“, sagte Pfarrer Frank Schindling bei der Informationsveranstaltung zur Zukunft von St. Johannes Rambach. Voll besetzt war das Kirchlein an dem Info-Nachmittag, neben interessierten Rambachern, Sonnenbergern und den Mitgliedern des Fördervereins waren auch das Pastoralteam, zahlreiche Pfarrgemeinde- und Verwaltungsratsmitglieder sowie Gemeindemitglieder aus den Kirchorten zusammengekommen, um sich über die Pläne des DAV zu informieren.

Der Vorsitzende der DAV-Sektion Wiesbaden, Uwe Goerttler, war gleich mit mehreren Vorstandsmitgliedern erschienen, um die Pläne des 5250 Mitglieder starken gemeinnützigen Vereins zu präsentieren. „Wir suchen schon seit mehreren Jahren ein Zuhause“, begann Goerttler. St. Johannes sei mit seinem naturnahen Standort und den Außenanlagen ideal für den DAV. In Rambach würden eine Geschäftsstelle mit vier Arbeitsplätzen, ein Gruppen- und Vortragsbereich, ein Archiv und ein Materiallager eingerichtet. Der Kirchenraum bleibe erhalten, der Keller könne – so wie er ist – von den Jugendgruppen genutzt werden. Goerttler lud die Rambacher Vereine und die Pfarrei zu einer intensiven Kooperation ein – wie etwa jetzt schon geschehen bei der Pilgerwanderung auf dem Elisabethenpfad. Vorgesehen sei auch ein Gedenkort auf dem Gelände, der an die Nutzung als Kirche erinnere.

Nach der Vorstellung der Pläne mussten der Pfarrgemeinderat und der Verwaltungsrat dem Verkauf zustimmen, zum Schluss willigte dann noch das Bistum ein.

4. Dezember 2020: Am Freitag, dem 4. Dezember, wurde der Erwerb der Kirche St. Johannes in Rambach durch die Sektion Wiesbaden des Deutschen Alpenvereins mit der Unterschrift beim Notar offiziell besiegelt. Für die Pfarrei St. Birgid unterschrieben Pfarrer Frank Schindling und Verwaltungsratsmitglied Dr. Detlev Dietz den Vertrag. „Ich bin nicht Pfarrer geworden, um Kirchen zu verkaufen“, bedauert Pfarrer Frank Schindling von der Pfarrei St. Birgid. Es falle der Pfarrei nicht leicht von St. Johannes Abschied zu nehmen, doch sei man froh, mit dem DAV einen neuen Eigentümer gefunden zu haben, der ähnliche Werte wie die Pfarrei vertritt. „Was wir Bewahrung der Schöpfung nennen, heißt beim Alpenverein Umweltschutz – im Ergebnis ist es aber doch sehr ähnlich“, so Schindling. Vertraglich vereinbart wurde, dass die Pfarrei die Räumlichkeiten für einzelne Veranstaltungen nutzen kann und dass sie eine Gedenkanlage, die an die Kirche erinnert, errichten darf.

27. Dezember 2020 Im Rahmen eines Gottesdienstes hat Generalvikar Wolfgang Rösch die Kirche St. Johannes profaniert. „Alles hat seine Stunde“, mit diesen Worten Kohelets begrüßte Pfarrer Frank Schindling die geladenen Gäste am Sonntag nach Weihnachten beim Profanierungs- und Übergabegottesdienst in St. Johannes Rambach. In den 60-er Jahren sei eine Zeit des Bauens gewesen, jetzt sei die Zeit des Abschiednehmens gekommen, so Schindling. Vieles werde anders, aber St. Johannes bleibe ein Ort der Begegnung, denn mit dem Alpenverein sei ein neuer Eigentümer gefunden, der Leben in die Räume bringe.

„Ich bin mir der Wehmut bewusst“, eröffnete Generalvikar Wolfgang Rösch den Gottesdienst. Der Förderverein habe Mut bewiesen, die Kirche zu erhalten. Doch wenn man etwas behalten wolle, müsse man es verändern. Es gehe nicht darum die Menschen in die Gebäude zu bringen, sondern den Glauben ins Leben der Menschen. Dafür müsse man manchmal los lassen und neue Wege gehen – dazu gehöre auch an anderen Orten ein Buch aufzuschlagen.

Pfarrer Schindling dankte dem Förderverein St. Johannes, der sich mit „viel Herzblut“ über Jahre für den Erhalt des Kirchleins eingesetzt habe. Dessen Vorsitzende, Gundula Freitag-Guse, dankte wiederum der Organistin Szilvia Tóth, der Küsterin Helga Kaufmann, den Messdienern, Pater Johannes Wilhelmi und vor allem der Gottesdienstbeauftragten Jutta Jünger für deren treue Begleitung. „Wir müssen Abschied nehmen“, sagte Freitag-Guse, die auch auf die gute Ökumene in Rambach verwies.

Dr. Uwe Goerttler, Vorsitzender der Sektion Wiesbaden des Alpenvereins, dankte für die freundliche Aufnahme. Das Gebäude bleibe ein Ort der Gemeinschaft, kündigte er an. Beim Alpenverein sei man sich der Geschichte der Räume bewusst. „Wir bauen jetzt hier eine neue Zukunft auf. Die Rambacherinnen und Rambacher sind eingeladen, dies mit zu tun“, schloss Goerttler.

Am Ende des Gottesdienstes verlas Rösch das Profanierungsdekret. Damit wurde die kirchliche Nutzung des Gebäudes für beendet erklärt. Mit einem gemeinsam gesprochenen Gebet wurde Abschied von der Kirche genommen. Rösch überreichte daraufhin das Ziborium an Gemeindereferent Johannes Mockenhaupt, der Ansprechpartner für die Rambacher Gemeindemitglieder ist. Danach zog die Gottesdienstgemeinde aus der Kirche. Draußen wurde der Schlusssegen erteilt, musikalisch begleitet von drei Alphornbläsern, die auf Einladung des Alpenvereins spielten.