Schokolade vor der Covid 19-Station
Miriam Gies berichtet von der Krankenhausseelsorge in Corona-Zeiten
Pastoralreferentin Miriam Gies ist seit August neu im dreiköpfigen Team der Katholischen Krankenhauseelsorge in den HSK-Kliniken. Warum das Krankenhaus auch in diesen Zeiten der Lieblingsarbeitsplatz der Diplomtheologin ist und wieso das Personal Schokolade bekommt, davon erzählt sie im Interview mit Barbara Reichwein.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie im Haus aus?
Die Atmosphäre ist insgesamt angespannt. Die Patienten sind vor allem von dem Besuchsverbot betroffen. Viele von ihnen bekunden trotzdem ausdrücklich ihr Verständnis für die Maßnahmen. Der Arbeitsumfang der Ärzte und Pflegenden ist enorm. Die geben wirklich alles! Wir als Seelsorgeteam müssen sehr aufmerksam sein und wissen, ob es neue Regelungen gibt, welche Stationen zum Beispiel umfunktioniert und freigehalten werden. Dass die Wortgottesdienste in der Kapelle ohne Teilnehmer gefeiert werden müssen, ist eine der Auswirkungen auf unsere Arbeit. Wir streamen die Feier aber und sie kann über den Krankenhauskanal auf dem Fernseher im Zimmer miterlebt werden. Ich empfinde auch das Maske-Tragen als Herausforderung. Es ist damit schwer, ohne Worte Kontakt aufzunehmen. Ich versuche, die fehlende Mimik durch Sprache und Ton auszugleichen. Manchmal hilft es, das Problem gleich am Beginn eines Gespräches anzusprechen. Dann wird die Unterhaltung direkt leichter. Wir müssen mehr als sonst zwischen den Zeilen hören und sehr sensibel sein für das Nichtausgesprochene.
Was können Sie derzeit tun, wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Wir machen das, was wir auch in anderen Zeiten machen: Hingehen. Sichtbar sein. Auch die Klinikleitung legt großen Wert auf unsere Präsenz. Wir haben zum Glück das große Privileg, auch jetzt auf fast allen Stationen unterwegs sein zu können. Wenn die Menschen zu unseren Namen ein Gesicht haben, fällt es ihnen oft leichter, uns anzusprechen. Unsere regelmäßigen Rundgänge beginnen dabei immer am jeweiligen Pflegestützpunkt. Das Personal weist uns auf Patienten hin, die eventuell einsam sind, bei denen wir vorbei schauen könnten. Dass unsere Einladung zum Gespräch nicht nur für die Patienten gilt, sondern für alle im Haus, sorgt manchmal für Überraschung. Sind Sie auch für uns da? Die erstaunte Frage kam kürzlich von einer Krankenschwester auf der Intensivstation. Aber ja, das sind wir!, lautete die Antwort. Für das Pflegepersonal und die Ärzte ist es ein hohes Gut, ein paar Minuten von einem besonders belastenden Dienst erzählen zu können. Und von ihren eigenen Sorgen – um die Patienten, aber auch um ihre Familien, die sie schützen wollen. Zur großen Freude bringen wir manchmal auch Süßigkeiten mit. Nach einer aufreibenden zwölf-Stunden-Schicht braucht man keinen Salat, sondern Schokolade. Die haben wir auch schon vor der geschlossenen Tür der Covid-19-Station abgelegt, um zu signalisieren: Wir haben euch nicht vergessen.
Was hat Sie in letzter Zeit besonders bewegt?
Da fallen mir gleich zwei Erlebnisse ein: Ich konnte eine junge Frau begleiten, deren Mann von einem Tag zum anderen völlig unerwartet gestorben ist. Dienstags wurde er eingeliefert, mittwochs war er tot. Es war gut, dass sie in dieser Ausnahmesituation nicht allein war. Sehr nahe ist mir auch der Tod eines Kindes gegangen. Es war viel zu früh und nicht lebensfähig auf die Welt gekommen. Ich bin direkt aus dem Kreissaal angerufen worden und habe dort für die Eltern eine kleine Segensfeier gehalten. Es war ihnen in ihrem Schmerz sehr wichtig, dass ihr Kind gesegnet wurde. So ein vertrautes Ritual gibt auch in einer so existentiellen Situation Halt. Auch wenn es keine Worte gibt, ein Vater Unser bekommt man hin und das tröstet.
Was hilft Ihnen selbst bei der Bewältigung?
Eine große Rolle spielt dabei unser super Team, wir sind hier keine Einzelkämpfer. Da wird vieles schon im Gespräch aufgearbeitet. Meine zwei Kollegen Beatrix Buballa-Herok und Dr. Sebastian Schneider haben langjährige Erfahrung. Das ist ein großer Schatz und davon profitiere ich sehr. Unerlässlich ist die Supervision. Und dann hilft mir auch der Glaube. Manchmal sitze ich eben in der Kapelle und lege alles in Gottes Hand. Wenn ich die Klinik verlasse, lasse ich auch die Rolle zurück, in der ich dort unterwegs bin. Ich habe eine Familie, die mir großen Rückhalt gibt, und einen Hund, der zugleich mein Hobby ist. Er ist zum Schutzhund ausgebildet und ich muss mit ihm richtig üben und arbeiten.
Welcher Weg hat Sie an diesen Arbeitsplatz geführt?
Ich habe zwar erst in diesem Jahr meine Ausbildung zur Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Birgid absolviert, war aber schon vorher zwölf Jahre als Diplomtheologin im Schuldienst im Bistum Mainz tätig. Außerdem bringe ich bereits langjährige Erfahrung in der Notfall- und Krisenseelsorge mit. Von daher weiß ich: Nirgendwo ist man näher am Menschen. Genau das ist meine Motivation und mein theologisches Verständnis. Dass ich jetzt zu Corona-Bedingungen angefangen habe, macht für mich keinen Unterschied und ich habe auch keine übermäßige Angst vor einer Infektion. Für mich gilt nach wie vor: Genau hier möchte ich als Seelsorgerin arbeiten!
Foto: privat