Kirchenmusik in Corona-Zeiten

Mehr Zeit für das Weltkulturerbe Orgelmusik
Bezirkskantor Roman Bär spricht im Interview über die Kirchenmusik in Zeiten von Corona

Wie erleben Sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kirchenmusik vor Ort?

Foto: privat

Roman Bär: In der Kirchenmusik ist es wie in vielen Bereichen: Es gibt schmerzhafte Einschränkungen und ungeahnte Chancen. Traurig macht uns vor allem, dass sich die Chöre und Singgruppen nicht wie gewohnt treffen können. An den Kirchorten von St. Birgid kann in den Gottesdiensten gar nicht gesungen werden, andernorts, wo die vorgeschriebenen sechs Meter Abstand zur Gemeinde sicher eingehalten werden können, singen einzelne Kantorinnen und Kantoren oder auch Kleingruppen. Aber schon hier beginnen auch die besonderen Chancen der Krise. Mehr als sonst erklingen Lieder, die weniger bekannt, aber textlich sehr ansprechend sind und seit 2013 im neuen Gotteslob stehen. Gerade jetzt an Weihnachten haben wir auch die Gelegenheit genutzt, gemeinsam mit vielen Instrumentalisten in der Kirche zu musizieren. Dies ist auf breite Resonanz und viel Dankbarkeit auf allen Seiten getroffen. Und nicht zuletzt haben wir deutlich mehr Zeit für das Weltkulturerbe Orgelmusik – sowohl beim Üben als auch im Gottesdienst.

Wie steht es aktuell um die (Kinder)Chorarbeit?

Roman Bär: Seit dem ersten Lockdown hat es in unseren katholischen Kinderchören leider keine Präsenztreffen mehr gegeben. Wir überbrücken dies mit Aufnahmen und Online-Angeboten, die wir über die Eltern per E-Mail zur Verfügung stellen. Daraus ist unter anderem ein nagelneues Kinderweihnachtslied entstanden, das wir zusammen mit selbst gemalten Bildern als Video veröffentlicht haben. Kinder, Eltern und Großeltern waren gleichermaßen begeistert. Eine Online-Mitsingaktion gab es auch für Erwachsene. Das Video davon wird Anfang Februar erscheinen. Die Chöre und Bands haben allesamt angepasste Formen der Probenarbeit gefunden, sei es in Proben als Videokonferenz, Einzelstimmbildung oder (im Sommer) Singen im Freien.

Welche Bedeutung hat die Kirchenmusik – und wie wird es mit ihr weitergehen?

Roman Bär: Was wären unsere Gottesdienste zurzeit ohne unsere Orgeln? Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir hierzulande diesen Schatz an Instrumenten haben. Und die Musikerinnen und Musiker, die sie mit Begeisterung und großer Flexibilität in Krisenzeiten spielen. Das Singen wird zu gegebener Zeit wieder aufleben – hier und da vielleicht in veränderter Form, aber dennoch genauso lebendig wie vor der Krise, davon bin ich überzeugt.

In diesem Jahr steht die Orgel als Instrument des Jahres im Mittelpunkt: Wird es dazu Angebote geben?

Roman Bär: Wir haben ein vielfältiges Programm dazu entwickelt, mit Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Mit der Veröffentlichung wollen wir aber noch ein wenig abwarten, bis wir mehr Sicherheit haben, dass die Angebote auch zum geplanten Termin stattfinden können. Wir sind aber grundsätzlich zuversichtlich, da wir in den Kirchen für Besucher ja recht viel Platz für den nötigen Abstand und erprobte Hygienekonzepte haben.

Roman Bär ist seit 2017 Bezirkskantor der katholischen Stadtkirche Wiesbaden. Als Organist und Chorleiter ist er seit 2008 in der katholischen Pfarrei St. Birgid tätig.

Das Interview führte Bistumsredakteurin Barbara Reichwein