Hinter Zahlen stehen Schicksale

Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie

In zahlreichen Bistümern hat es am Samstag, 27. Februar, Gottesdienste für die Opfer der Corona-Pandemie und deren Angehörige gegeben. In Limburg feierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, die Eucharistie und erinnerte an die Schicksale der Verstorbenen und deren Angehörigen und den aufopferungsvollen Dienst der vielen Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger. „Wir denken an die vielen Verstorbenen der Corona-Pandemie, an die vielen, die im vergangenen Jahr einsam sterben mussten, und wir denken an die Trauernden. Wir sind in unserem Gedenken verbunden mit den Menschen in Europa und auf der ganzen Welt“, sagte Bischof Bätzing. „Hinter diesen kaum begreiflichen Zahlen der Toten stehen einzelne Schicksale. Im Gebet sind wir unseren Verstorbenen nah. Wir vertrauen unsere Verstorbenen Jesus an.“ Gleichzeitig lud Bischof Bätzing dazu ein, sich Zeit zum Abschiednehmen und Trauern zu nehmen: „Der Blick auf das Kreuz und auf Ostern, auf das Fest der Auferstehung Christi, möge Sie trösten und Kraft schenken.“

Geprägt war der Gottesdienst durch Zeugnisse von Menschen und ihren Erfahrungen in der Pandemie. Ihnen war es wichtig, dass sie stellvertretend für die vielen Einzelschicksale sprachen.
Ein Ehepaar aus Elz erzählte das Schicksal ihres an Corona verstorbenen Neffen und dem Corona-Tod von dessen Mutter neun Tage später. „Das waren bange Wochen ohne eine Kontaktmöglichkeit, es gab nur die Gespräche mit Ärzten und Pflegern, es war ein ständiges Auf und Ab. Wir alle haben die Bilder der Corona-Intensivstationen aus den Medien vor Augen.“ Nach fünf Wochen sei die Zeit gekommen, um Abschied zu nehmen, berichtete das Ehepaar. Sohn und Mutter seien auf die Palliativstation verlegt worden und konnten dort friedlich einschlafen. „Wir sind dankbar für die große Anteilnahme. Und doch vermissen wir die persönlichen Begegnungen, die aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht möglich waren. Bleiben wir achtsam miteinander und vergessen wir nicht die, die von uns gehen mussten. Der Weg des Lebens ist begrenzt, aber die Erinnerung ist unendlich“, sagten die Eheleute.

Die Leiterin der Covid- und Palliativstation im Limburger Krankenhaus, Christiane Schulz, berichtete aus ihrem Alltag mit Corona. Zu ihren Aufgaben gehöre die Begleitung von unheilbar kranken und sterbenden Patienten und deren Angehörigen. „Das ist jetzt in der Pandemie so leider nicht mehr möglich. Die Patienten kommen unvorbereitet und plötzlich ins Krankenhaus, Angehörige können sich nicht mehr verabschieden, der Zustand verschlechtert sich, das Besuchsverbot verhindert Begegnung – und dann sterben diese Menschen im Krankenhaus“, so Christiane Schulz. Die Angehörigen könnten dann nicht mehr das den Sterbenden sagen, was man gerne sagen würde, das seien extreme Schicksalsschläge. „Wir würden gerade in dieser Situation, weil wir Pandemie haben, noch besser betreuen und begleiten. Schon vor der Pandemie hatten wir Pflegenotstand und waren zu wenige. Jetzt ist das nicht besser. Wir arbeiten jeden Tag mit corona-positiven Patienten, sind einem hohen Risiko ausgesetzt und infizieren uns auch. Wenn das passiert, kommt für uns keiner nach. Die, die bleiben, müssen unsere Arbeit mit leisten. Es gibt einfach zu viel Arbeit für zu wenige Mitarbeiter.“ Vor allem könne man so den Anspruch an eine professionelle Begleitung in Brachialsituationen nicht mehr gewährleisten. „Das ist extrem schwierig für alle Beteiligten. Wir nehmen die Einzelschicksale mit nach Hause, träumen davon. Wir wünschen uns, dass wir den Job machen können, den wir mal gelernt haben: für alle Beteiligten ein würdevolles Sterben und Abschiednehmen ermöglichen“, so Christiane Schulz.

Krankenhausseelsorgerin Beate Bendel von der Palliativ-, Covid- und Frauenstation in Frankfurt berichtete: „Am Einschneidensten sind die Besuchsbeschränkungen, denn diese treffen nicht nur Covid-19- Infizierte, sondern auch alle Patienten und Sterbenden mit anderen Erkrankungen und deren Angehörige.“ Seelsorge sei gerade deshalb eine Brückenfunktion: „Wir können stellvertretend für Familie und Freunde an die Betten treten und ‚Da-sein‘. Wir können den Kontakt nach draußen herstellen – und umgekehrt. Gerade dort, wo die Patienten nicht fähig oder zu schwach sind, um selber noch den Telefonhörer zu halten, können wir dies für sie tun. Audio-Nachrichten kann man Menschen im Koma vorspielen. Solche Botschaften erreichen auch Sterbende.“ Seelsorge sei ein Dienst, um Orte, Sprache und Rituale des Abschiednehmens und Trauerns zu schaffen. „Vermehrt ist in diesen Zeiten die Nachfrage nach dem Segen – sei es Krankensegen oder Sterbesegen. Auch bei Frauen, die ihr Kind tot zur Welt bringen oder deren Kinder während oder kurz nach der Geburt sterben. Hier hat Corona das Abschiednehmen ebenfalls verändert. Konnten solche Mütter ihre verstorbenen Kinder nochmals im Abschiedsraum besuchen, muss jetzt direkt nach der Geburt Abschied für immer genommen werden. Kein nochmaliges in den Arm nehmen, kein weiteres Liebkosen ist mehr möglich“, so Beate Bendel.

Die bundesweiten Gottesdienste mit Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz gehen auf eine Initiative des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zurück. Dieser hatte dazu aufgerufen, an jedem Tag der Fastenzeit in einem europäischen Land an die Opfer der Corona-Pandemie zu erinnern. Nachdem am 17. Februar 2021 in Albanien begonnen wurde, folgte Deutschland der Initiative am heutigen 27. Februar 2021.

Für Bischof Bätzing sind diese Gottesdienste in vielen Ländern Europas eine positive Nachricht: „Es ist ein gutes Zeichen, dass wir europaweit, über mehrere Wochen verteilt, der Opfer der Corona-Pandemie und deren Angehörigen in Gottesdiensten gedenken. Jedes Land in Europa hat die volle Wucht der Pandemie erfahren. Vielen von uns sind die Bilder aus Bergamo unvergessen in Erinnerung. Ich empfinde dieses grenzüberschreitende Gedenken und Beten als beeindruckendes Zeichen der Solidarität und geschwisterlichen Verbundenheit.“

Text: Bistum Limburg