Ein vertrautes Gesicht am Grab

Vom Beerdigen unter Coronabedingungen berichten Pastoralreferent Stephan Lechtenböhmer und Gemeindemitglied Jutta Jünger

– Einen lieben Menschen zu verlieren, ist zu allen Zeiten schwer – ihn unter Corona-Bedingungen zu Grabe tragen zu müssen, noch einmal mehr. Dass Beerdigungen derzeit für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung sind, berichten Stephan Lechtenböhmer und Jutta Jünger. Beide sind in der katholischen Pfarrei St. Birgid im Beerdigungsdienst tätig. Der Pastoralreferent hauptamtlich, die Grundschullehrerin ehrenamtlich. Sie ist dafür mit weiteren Mitstreiterinnen in einem eigenen Qualifizierungskurs ausgebildet worden. Was es momentan so schwer macht, liegt für beide auf der Hand: Es sind nicht nur die eingeschränkten Teilnehmerzahlen, sondern auch die vertrauten Rituale, die wegfallen oder nur sehr reduziert möglich sind.

„Ausgerechnet in dieser Situation fehlt die Nähe“, bringt Stephan Lechtenböhmer das Dilemma der Trauernden auf den Punkt: „Kein Händedrücken, keine Umarmung.“ Auch er selbst darf am Grab nicht mehr kondolieren und verneigt sich deshalb jetzt in Richtung der Angehörigen. Jutta Jünger versucht, so etwas wie „Geborgenheit zu vermitteln“, indem sie in ihrer Ansprache noch intensiver als sonst auf den Verstorbenen eingeht. „Es soll sich anfühlen wie eine tröstliche Umarmung.“ Sie lässt sich auch sonst etwas einfallen. So ist der Brauch, am Grab Erde auf den Sarg zu werfen, erschwert, da keine gemeinsame Kelle benutzt werden darf. Die Erde direkt mit der Hand zu greifen, sei für viele nicht so selbstverständlich. „Dann mache ich es einfach vor”, sagt sie und die Trauernden folgten gerne ihrem Beispiel. Sie habe aber auch schon erlebt, dass die Erde in einzelne Tütchen abgefüllt war.

Kein „Tröster” im Anschluss

Kein Trauerkaffee im Anschuss: Auch das ist schmerzlich, weiß Stephan Lechtenböhmer. Die Sitte heiße in seiner Fuldaer Heimat nicht umsonst „Tröster“. Es sei einfach gut, in der Runde Erinnerungen an den Verstorbenen zu teilen. Jetzt seien die Trauernden häufig allein, sehr auf sich gestellt. Diese Erfahrung macht auch Jutta Jünger, die in Sonnenberg schon viele Jahre in der Gemeindearbeit aktiv ist. Die Hinterbliebenen wendeten sich mit dem Beerdigungswunsch direkt an sie, „weil sie mich kennen“, sagt die Religionslehrerin, die sich „in diesen Zeiten der Entfremdung und Unsicherheit” einmal mehr als Bindeglied zwischen Kirche und Welt fühlt. „Sie wünschen sich ein vertrautes Gesicht am Grab.“

Die besonderen Schwierigkeiten fangen bereits im Vorfeld der Beerdigung an: „Schon das Trauergespräch ist ja derzeit alles andere als normal“, erzählt der Pastoralreferent. Habe man sich vor Corona ganz selbstverständlich in den Wohnräumen der Angehörigen oder sogar des Verstorbenen getroffen, sei nun schon die Raumsuche kompliziert. Er habe inzwischen Trauergespräche auf Terrassen geführt, im großen Gemeinderäumen mit viel Abstand und geöffneten Fenstern oder sogar telefonisch.

Dass auch unter diesen Umständen gute Begleitung gelingen kann, davon sind beide überzeugt. Gerade erst hat Jutta Jünger ein 98-jähriges Gemeindemitglied beerdigt, auf ausdrücklichen Wunsch der beiden Töchter. Sie kenne die ganze Familie, auch das Trauergespräch sei sehr persönlich gewesen. Es habe, so merkwürdig das klinge, sogar richtig Freude gemacht: „Weil ich posthum den Verstorbenen als eine hochinteressante Persönlichkeit kennengelernt habe.“

Die Situation ist viel intimer

Die Lehrerin hat auch darüber hinaus nicht nur negative Erfahrungen beim Beerdigen in diesen Zeiten gemacht: Die Situation sei viel intimer und die Menschen gingen deutlich sensibler miteinander um, beschreibt sie ihren Eindruck. Stephan Lechtenböhmer bestätigt das. Er hat schon im ersten Lockdown eine Beerdigung mit nur fünf Teilnehmern geleitet – und erinnert sich noch gut an die sehr innige Atmosphäre und die erleichterten Worten der Nichte der Verstorbenen, die sich – nicht nur – auf das gute Wetter bezogen: „Das hat sie sich aber auch verdient.“

Trauernde begleiten und Verstorbene beerdigen – lange war dies allein die Aufgabe von hauptamtlichen Seelsorgern. Seit vergangenem Jahr sind im Bistum Limburg erstmals Ehrenamtliche mit diesem wichtigen Dienst beauftragt. Im Rahmen eines Pilotprojektes sind in der Pfarrei St. Birgid in Wiesbaden acht Frauen in einem einjährigen Qualifizierungskurs ausgebildet worden. Zwei wollen in der Trauerbegleitung tätig werden, sechs von ihnen sind auch im Beerdigungsdienst eingesetzt. Der Kurs ist im Februar 2020 abgeschlossen worden.

Text: Barbara Reichwein/Fotos: privat und Anne Goerlich-Baumann