Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Die Kirche ist weiblich! Bewegendes Patrozinium in St. Birgid

„In der heutigen Zeit wird es für junge Menschen wie mich immer schwieriger zu erklären, warum wir überhaupt noch Mitglieder der katholischen Kirche sind. Wenn meine Freunde mich das fragen, antworte ich oft: Austreten ist keine Option für mich, denn wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Ausnahmsweise stand beim Patrozinium der Pfarrei St. Birgid nicht der Pfarrer am Ambo und predigte, sondern sechs Frauen der Gemeinde ergriffen das Wort. So wie Lena Pfannschilling, FSJlerin, Jugendleiterin und Messdienerin in St. Birgid.

Sie wünsche sich, so die 19-Jährige, „dass die Kirche erkennt, dass sie eine große Chance vertut, die Begabungen und das Potential der Frauen nicht zu nutzen. Ich wünsche mir für die Zukunft eine geschwisterliche, nahbare und offene Kirche, so wie hier in St. Birgid.“ Für diese mutigen und offenen Worte gab es spontanen Applaus aus der Gemeinde für die junge Frau.

Christiane Kühl
Helma Kuntscher

Mutig und offen waren auch die Beiträge der anderen fünf Frauen: Pfarrgemeinderatsmitglied Christiane Kühl leitete in das Thema ein, indem sie eine UN-Statistik zu Frauen und Gleichstellung verlas. Die deprimierenden Zahlen zu Gewalt gegen Frauen, Bildungschancen, Einkommen und beruflichen Perspektiven lösten in ihrer Nüchternheit spürbar Betroffenheit aus. Den Bogen nach Wiesbaden und zur Kirche schlug Helma Kuntscher, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil als Gemeindereferentin in der Landeshauptstadt arbeitete. Nach und nach wurde die Mitarbeit der Frauen selbstverständlicher, das sei aber zum Teil erstritten worden von Frauen wie Barbara Motika-Parera, die Bildungsreferentin für Frauen in der Kirche Wiesbadens gewesen sei, so die 89-jährige Kuntscher.

Verena Riehl

Verena Riehl, Beauftragte im Beerdigungsdienst und Trauerbegleiterin, berichtete von den Herausforderungen ihrer Ausbildung für diese Dienste, ihren Zweifeln, aber auch von der Dankbarkeit, die sie nun bei der Ausübung empfinde.

Alexandra Chytry

Pfarrgemeinderatsvorsitzende Alexandra Chytry erzählte, wie sie mehr oder weniger zufällig ins Ehrenamt der Pfarrei gerutscht sei. Nun entwickle sie die Zukunft der Pfarrei mit. Partizipation ist für Chytry dabei ein wichtiges Schlüsselwort. Sie lud dazu ein, sich für die Pfarrgemeinderatswahlen im November aufstellen zu lassen, um auch weiterhin gemeinsam Visionen in St. Birgid zu entwickeln und umzusetzen.

Eva-Maria Brenneisen und Frank Schindling

Die letzten Worte kamen von der einzigen Frau im Pastoralteam. In St. Birgid gebe es zwar viele positive Beispiele für die Beteiligung von Frauen, doch die katholische Kirche sei eine weltweite Kirche, so Gemeindereferentin Eva-Maria Brenneisen. „Ich träume und hoffe auf eine Zukunft, in der man auf die Fähigkeiten, Kompetenzen und Persönlichkeit einer Person und nicht auf ihr Geschlecht, ihre sexuelle Orientierung, ihr Äußeres oder die Hautfarbe schaut. Eine Kirche, die sich wirklich und wahrhaftig an Jesus orientiert, der auf das geschaut hat, was wirklich wichtig ist, auf das, was in unseren Herzen ist und sich in unseren Taten widerspiegelt.“ Danach brandete noch einmal Applaus auf.

„Wir sollten nicht aufhören dafür zu sorgen, dass alle ihren Platz hier in unserer Kirche haben“, sagte im Anschluss auch Pfarrer Frank Schindling. Er dankte den Frauen für ihre mutigen und wertvollen Beiträge. Ein Vorbild sei sicher auch die Pfarrpatronin, die heilige Birgid, die Bischofswürde besessen habe und wegweisend voran gegangen sei. „Die Kirche ist weiblich! Wusstet ihr es schon?“, so Schindling.

Überaus lebendig ging es im Gottesdienst weiter, beim anschließenden Lied „Menschen in ihrer Vielfalt“ tanzten Firmandinnen und Firmanden einen Linedance in den Gängen zwischen den Bankreihen, musikalisch gestalteten Sängerinnen und Sänger aus den Chören, die Kirchenmusiker Szilvia Tóth und Roman Bär sowie die Band LeBandig die Feier, zum Vaterunser versammelten sich die kleinen Gemeindemitglieder singend um den Altar. Neben dem Pastoralteam hatten sich 50 Messdienerinnen und Messdiener im Altarraum versammelt, eine weibliche Delegation der Pfadfinder vom Stamm Mutter Teresa war mit Fahne in die Kirche eingezogen, ebenso die Trauerbegleiterinnen und Wortgottesdienstbeauftragte. Bei so viel Frauenpower fragte der Pfarrer: „Was wäre die Kirche ohne die Frauen?“ und bat alle Frauen in der Kirchen aufzustehen – auch damit die Männer einmal zu ihnen aufblicken konnten.

 

Im Anschluss an den Gottesdienst trafen sich alle im Großen Gemeindesaal. AK Jugend, Pfarrgemeinderat, die Kita Herz Jesu, die Pfadfinder und die Ortsauausschüsse hatten für Mittagessen, Kaffee, Waffeln und Kuchen sowie ein Kinderprogramm gesorgt. Der Eine-Welt-Kreis verkaufte Fair-Trade-Produkte. Eine Fotoaktion des Pfarrgemeinderats lud zur Partizipation ein. Gemeinschaftlich ließ man den Sonntag in netter Runde ausklingen.

Die Kollekte ging an dem Tag je zur Hälfte an das Marienheim Hostel in Namibia und an Frauen helfen Frauen – Wiesbadener Verein zum Schutz misshandelter Frauen.

Text/Fotos: Anne Goerlich-Baumann